Stufenkonzept zur Umsetzung von Art. 17 der DSM-Richtlinie
Die EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt verpflichtet die Mitgliedstaaten zu Anpassungen im nationalen Urheberrecht. Insbesondere bei der Umsetzung der neuen Haftungsregeln des Art. 17 der Richtlinie bedarf es einer rechtssicheren und verhältnismäßigen Umsetzung in das nationale Recht. Overblocking, also unberechtigte Uploadfilter, muss soweit wie möglich verhindert werden. Die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht hat dazu einen konkreten Umsetzungsvorschlag mit Normtext und Begründung erarbeitet und veröffentlicht ihn exklusiv in der aktuellen MMR 4/2020.
Der Vorschlag sieht ein gestuftes Regelungskonzept vor, das (1.) Lizenzierungen erleichtern, (2.) bestimmte im Internet übliche Nutzungsformen gesetzlich erlauben und (3.) Overblocking verhindern soll.
In einem ersten Schritt wird die zentrale Vorgabe der Richtlinie umgesetzt, dass die Lizenzierung für die öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke auf Social Media-Plattformen künftig nicht mehr von den Nutzerinnen und Nutzern vorgenommen werden muss, sondern durch die Plattformen. Dazu wird das bestehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung durch einen hier vorgeschlagenen neuen § 19a Abs. 2 UrhG. auch auf das Teilen von Online-Inhalten durch Diensteanbieter erweitert. Damit müssen Nutzerinnen und Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten bei entsprechender Erlaubnis- bzw. Lizenzeinholung durch den Dienst keine eigene Lizenz mehr einholen. Die Lizenz für die Plattformen wird durch gesetzliche Anordnung auf die Nutzer erstreckt. Nutzer werden insoweit von der urheberrechtlichen Haftung für die lizenzierten Inhalte freigestellt. Es handelt sich dabei um die Fiktion einer Nutzungsrechtseinräumung, die nicht abdingbar ist und die der Zweckübertragungsregel des § 31 Abs. 5 vorgeht. Damit bisher erlaubte Nutzungen auch weiter erlaubt bleiben, soll die Zugangsverschaffung durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten von Werken, die mit ausdrücklicher Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich zugänglich gemacht worden sind, innerhalb dieses Umfangs zulässig sein (Erwgr. 69). Insoweit ist also vom Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten keine Lizenz einzuholen. Hierbei handelt es sich um eine Erstreckung, die allerdings nicht vermutet werden darf und von der zugrundeliegenden Zustimmung gedeckt sein muss. Und um auch Außenseite bis zu deren Widerspruch besser erreichen zu können, wird im Verwertungsgesellschaftengesetz entsprechend Art. 12 DSM-RL eine Vermutungsregel zugunsten repräsentativer Verwertungsgesellschaften normiert. Durch die in diesem Vorschlag in § 49a VGG verortete kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung, kann für bestimmte Kreativbranchen durch repräsentative Verwertungsgesellschaften die Erlaubnis vorausgesetzet werden, bis widersprochen wird.
Um in einem zweiten Schritt auch weiterhin Memes zu ermöglichen wird darüber hinaus eine neue gesetzliche Erlaubnis für die öffentliche Zugänglichmachung von Karikaturen, Parodien oder Pastiches eingeführt, die kreative Nutzungsformen im Internet gegen eine pauschale Vergütung erlaubt. Mit Blick auf den abschließenden Schranken-Katalog in Art. 5 der Info-Soc-Richtlinie ist dies zwar eine darüber hinausgehende Schranke. Weil die DSM-Richtlinie aber neueres Recht ist und eine solche Ausnahme ausdrücklich vorsieht, wird hier ein entsprechender Spielraum als eröffnet angesehen. Der Drei-Stufen-Test muss dabei selbstverständlich berücksichtigt werden.
In einem dritten Schritt werden in einem neuen § 10a TMG die Haftung und die Pflichten für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten umgesetzt. Die Definition der Plattformen wird von diesem Vorschlag in § 19a Abs. 2 UrhG vorgesehen und bleibt im Normtext wortgetreu beim Richtlkinientext. In dem beigefügten Begründungsentwurf werden allerdings auch konkrete Beispiele genannt, welche Plattformen nicht erfasst sind. Die unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe für große und kleine Plattformen werden für § 10a TMG vorgeschlagen. Um Overblocking zu verhindern, wird dabei insbesondere eine Pflicht für Plattformen vorgesehen, rechtmäßige Inhalte nicht sperren oder entfernen zu dürfen. Diese Verpflichtung gilt nicht nur gegenüber dem hochladenden Nutzer, sondern ist auch nach Lauterkeitsrecht für die dort anspruchsberechtigten Mitbewerber und Verbände durchsetzbar. Ferner wird die Pflicht für Diensteanbieter, rechtmäßige Inhalte nicht zu sperren oder zu entfernen, bußgeldbewehrt. Weiter werden Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten verpflichtet, einen wirksamen und zügigen Beschwerdemechanismus bei Sperrung oder Entfernung von Inhalten einzuführen. Uploads von als besonders vertrauenswürdigen gekennzeichneten Nutzern („trusted uploaders“) dürfen zunächst nicht blockiert werden. Nur in Fällen, in denen eine klare Rechtsverletzung vorliegt, darf ein Inhalt ohne Beteiligung des hochladenden Nutzers durch Filter gesperrt werden. Insoweit kann an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angeknüpft werden, die in der bisherigen Praxis keine Probleme bereitet hat. Dem Nutzer bleiben auch in diesen Fällen seine Ansprüche und Beschwerderechte.
Mit all diesen Maßnahmen sind die meisten Nutzungen im Internet entweder lizenziert oder gesetzlich erlaubt. Für die wenigen verbliebenen Zweifelsfälle sind die Plattformen verpflichtet sicherzustellen, unberechtigte Filtermaßnahmen zu verhindern. Uploadfilter sind damit für legale Inhalte überflüssig und unberechtigtes Overblocking nahezu ausgeschlossen.